In den letzten Wochen habe ich vermehrt Brandartikel über unsere Branche, sogenannte „Rants“, gelesen. Steht es wirklich so schlimm um unseren Berufsstand? Ich meine: JEIN.
Doch der Reihe nach. Was ist passiert? Frank Zimmermann schreibt sehr treffend in der W&V vom 19.06.2018 darüber, dass egal, was passiert, es immer ein PR-Desaster ist. Ob die nackte Brust von Janet Jackson, Super Bowl 2004, oder die Werbe Panne von H&M vor ein paar Monaten – Stichwort „Coolest Monkey In Town“. Gleich wird auf die PR-Branche eingeschlagen, obwohl die Kolleginnen und Kollegen nicht immer schuld sind. Denn, während das eine die breit angelegte Promotion-Kampagne für die beginnende Welttournee war und sicherlich mit vollem Kalkül, ja von windigen Promotern, inszeniert wurde, war es bei H&M eine klassische Werbepanne. Herr Zimmermann regt sich zu Recht darüber auf, dass nicht klar differenziert wird.
Der zweite Artikel, der mir im PR-Report vom 20.06.2018 auffiel, stammt von Dr. Nicolai Hammersen, einem renommierten PR-Berater. Er beklagt sich, ebenfalls zu Recht, darüber, dass Kunden immer weniger bereit sind, gute PR-Arbeit zu würdigen. Seiner Erfahrung nach schielen sie eher auf Platzierungen, also nach ihrem Gusto initiierte Artikel – ohne jedoch die entsprechenden Stories zuzulassen. Dort wird beschrieben, wie Steigerungen der Veröffentlichungen von 300 % lapidar als Grundrauschen abgetan und mehr prominente Platzierungen in größeren Medien gefordert werden. Solche Dinge sind sicher schon jedem von uns mehrfach im Laufe der Karriere passiert.
Was haben jetzt aber diese beiden Artikel miteinander zu tun? Auf den ersten Blick nichts, außer der Äußerung über Ungerechtigkeiten. Und die sind auch immer wieder Teil des Berufslebens.
Man berät einen Kunden, hat eine super Kampagne vorbereitet und wird mit den Worten geerdet – „Wie viel mehr verkaufen wir denn dadurch?“ – ehrlich gesagt: NICHTS. Das ist die Wahrheit und alle, die dann Zahlen anführen und das seriös nennen, haben Angst, einen Auftrag nicht zu bekommen oder haben schlichtweg nicht verstanden, was Kommunikation bedeutet. Unsere Aufgabe ist es Public Relations zu betreiben – also die Beziehungen zur Öffentlichkeit zu knüpfen. Und das bitteschön grundehrlich, aber kreativ.
Unsere Arbeit lässt sich genau so wenig in Kennzahlen pressen wie sich Kreativität ISO-zertifizieren lässt. Viel wichtiger ist es, sich ehrlich mit Kunden und Journalisten auseinander zu setzen und Stories zu entwickeln – Stories über Produkte, Dienstleistungen, Entwicklungen und Menschen. Dann haben alle etwas davon: Der Kunde, der Journalist, nicht zuletzt die Agentur – vor allem aber die Öffentlichkeit, die wir erreichen wollen. So entsteht nachhaltige PR, die über Jahre wächst und auch mal Tiefschläge verschmerzen kann. Die Shitstorms (grässliches Wort übrigens) dieser Welt kann man sicher nicht immer verhindern, und solange jeder anonym seine Meinung ins WWW hinausposaunen kann, werden wir sie immer mal wieder verkraften müssen. Wichtig ist aber, dass wir unsere Beratungskompetenz nutzen und Journalisten wie Kunden die Mittel geben, die eine ehrliche Kommunikation auf Augenhöhe ermöglicht. Dafür sind wir Berater. Manchmal werden wir ignoriert, manchmal gefeiert.
Aber liebe Kolleginnen und Kollegen, immer mit der Trommel der Musik hinterherlaufen, ist wirklich keine Lösung. Ich bin glücklich über jede kritische Bemerkung aus unseren Teams – wenn ich es auch manchmal nicht spontan zeigen kann. Dennoch, nur die interne Kontroverse und das Diskutieren auf Augenhöhe bringt uns alle weiter. Dabei darf man sich aber auch Argumenten nicht verschließen- ob Kunde, Journalist, Berater. Im Fokus steht immer die Öffentlichkeit – und das liebe ich so an unserem Beruf.
Leider gelingt uns die Neutralität und Ehrlichkeit auch nicht immer und deshalb tendiere ich in der Frage „sind PR-Schaffende Opportunisten?“ zu einem ganz klaren JEIN.
Hinterlasse einen Kommentar